Wacholderfrau - Nun sind es wieder 12 Jahre...

  • Guten Morgen Wachholderfrau,

    schön, Dich hier mal "persönlich" zu lesen. Ein wenig habe ich von Dir in den letzten Jahren ja ab und zu schon mal "gehört" :)

    Mich hat Dein Beitrag bzw. Deine Beschreibung, wie Du es damals mit dem Alkohol auf der Nummer 1 empfunden hast, sehr beeindruckt. Schonungslos ehrlich.

    Ich würde alles in Kauf nehmen, um bei meinen Kindern das wiedergutzumachen, was ich ihnen durch meine Sucht angetan habe.

    Ich kann diesen Satz total verstehen und denke auch manchmal ähnlich.

    Aber weißt Du, was mich persönlich dann wirklich beruhigt, also welcher Gedanke?

    Ich kann die Vergangenheit nicht beeinflussen, aber die Gegenwart und die Zukunft und ich mache wirklich so gut wie ALLES dafür, um es nicht nur WIEDERgutzumachen, sondern JETZTgutzumachen.

    Ich habe so viele Gespräche, Momente und Lebenssituationen so herbeigeführt oder einfach genossen, wenn sie plötzlich da waren, habe alles von dem Moment an, wo ich aufhörte zu trinken, so aufgesaugt, wie ein Schwamm und konnte endlich so eine gute Mutter sein, wie ich es im Herzen bin, dass das schon eine große Wiedergutmachtung für mich und sicher auch für meine Söhne ist.

    Ich würde mich freuen, weiterhin von Dir zu lesen.

    LG Cadda

  • Hallo, vielen lieben Dank für den vielen schönen und interessanten Besuch und vor allem für die Rückmeldungen.

    Ich mag's lebendig.

    Pellebär Jeg er glad for du er her. Hvordan har du det? Ich freue mich sehr darauf, von dir bald mehr lesen zu dürfen. Venlig hilsen

    Whitewolf

    Ich würde das nicht als " Liebe " bezeichnen. Mach es Dir nicht schwerer als es schon ist. Die Sucht hat Dich getrieben. Das hat mit Liebe oder auch Mögen irgendwann nichts mehr zu tun.

    Vielen Dank dafür!

    Ja, es wäre vielleicht etwas anders - milder? - rübergekommen, wenn ich "Liebe" mit Anführungszeichen versehen hätte. Es sollte sich auf die Liebe zu meinen Kindern beziehen, von der ich dachte, sie wäre trotz allem an 1. Stelle gewesen. War sie aber nicht!

    Diese Erkenntnis hat mir, so schonungslos sie auch war, geholfen trocken zu werden.

    Die Ehrlichkeit mir gegenüber, ich glaube, sie hat mir mein Leben gerettet. Denn so konnte ich erkennen, wie sehr ich mich in der Alkoholabhängigkeit verloren hatte.

    Und niemals, niemals habe ich gerne getrunken und den Alkohol gemocht. Ich habe immer allein im stillen Kämmerlein getrunken, und meisten habe ich dabei vor mich hingelitten.

    Und natürlich hat mich die Sucht getrieben.

    Aber!!! Ich hatte die Möglichkeit, nein zu sagen, ich hatte die Wahl, sauf ich nach der Arbeit oder nicht, ich habe die Verantwortung nicht übernommen, mich um mich und mein Leid, das zweifellos da war, zu kümmern und mir Hilfe zu holen oder um das Leid meiner Kinder, und mir deswegen Hilfe zu holen.

    Und warum habe ich das nicht garan? Weil ich trinken wollte! Weil alles andere Nebensache war, auch meine Kinder.

    Ich dachte beim Schreiben meines Textes daran, ob ich denn nicht die Schwere, die Dramatik herausnehmen möchte. Es war mir bewusst, dass ich damit wirken könnte, als würde ich mit mir hart ins Gericht gehen.

    Nein, ich wollte einfach nur ehrlich sein.

    Ich bin mir gegenüber inzwischen sanft gestimmt und sogar versöhnt (war ein langer Weg), und ich bin ziemlich gut drauf. Und Lebenslust ist mein Lieblingswort (und Lebensfreude und Lebendigkeit und Neugierde und Demut und Dankbarkeit)

    Wenn ich etwas auf den Punkt bringen möchte, kann ich ziemlich schnörkellos sein, auch im Gespräch. Ich kann auch anders, aber bei diesem Thema gibt es bei mir nicht viel drumherum zu reden.

    Was die Dramatik angeht, ich hatte 1992 einen Suizidversuch, den ich nur überlebt habe, weil ein Notarzt dem Krankenwagen entgegen gefahren war und mich wiederlebt hat.

    Es hat mir gut getan, und tut es immer noch, zu sagen, ich konnte nicht anders, hätte ich anders gekonnt, hätte ich es anders gemacht. Das stimmt so auch, Damit kann ich auch gut leben. Aber! Tief im Innerern reicht mir das nicht, da reicht es mir nicht zu sagen, ich konnte nicht anders.

    Jede und jeder, der hierher oder in eine andere Selbsthilfegruppe kommt, kann JETZT Verantwortung übernehmen, ob sie/er Alkoholikerin ist oder Angehöriger.

    Liebe Grüße an dich, Whitewolf


    Geht gleich weiter mir Antworten, leg nur mal ne Pause ein...

  • Hallo,

    Ingrid2012

    Hallo Ingrid, kann sein, dass ich gerade ziemlich auf der Leitung stehe?! Denke eigentlich, das Buch spielt in der Normandie. Schaust du mal bitte? Schön, dass ich dadurch in Erinnerung geblieben bin.

    Ich wünsche dir alles Gute für dein Gespräch mit deiner Tochter.

    Manchmal tut es ja gut, mehr zu wissen, mehr Antworten zu haben, Erklärungen, ja, manchmal ist es gut, um sich besser zu verstehen. Für mich war die Auseinandersetzung mit meiner Geschichte wichtig, weil sich nur so die Puzzlesteine zusammenfügen konnten. Aber die Frage, warum ich getrunken habe, hat sich dadurch nicht geklärt. Die Frage interessiert mich auch nicht mehr, die Antwort auch nicht :), meiner Meinung nach ist das warum auch nicht wichtig.

    Lea

    Danke liebe Lea, deine Rückmeldung hat mich auch berührt, und ich stimme dem voll zu, was du geschrieben hast. Mit den schönen Momenten geht es heute gleich weiter, denn meine Tochter kommt mit Familie...

    Cadda

    Ich kann die Vergangenheit nicht beeinflussen, aber die Gegenwart und die Zukunft und ich mache wirklich so gut wie ALLES dafür, um es nicht nur WIEDERgutzumachen, sondern JETZTgutzumachen.

    Was für ein wunderbarer Satz!

    Ich konnte meinen Kindern zeigen, dass ich alles dafür getan habe, um aus dem Sumpf rauszukommen. Jetzt gibt es den Sumpf nicht mehr, und doch gibt es viel, was ich für mich tun kann. Das sehen die Kinder (die ja längst erwachsen sind)auch heute noch.

    @all

    Ich war so unglaublich verschlossen und habe mich hinter meinen Mauern verschanzt. Es war mir dadurch nicht möglich, zu zeigen, wie schlecht es mir geht und wie sehr ich Hilfe brauche.

    Wie lange bin ich durchs Leben gelaufen und habe mir gewünscht, dass doch jemand sieht, wie es mir geht. Ich war nach dem Suizidversuch in der Psychiastrie und danach in einer psychosomatischen Klinik, es hat lange gedauert, bis ich mich auch nur andeutungsweise öffnen oder Hilfe annehmen konnte. Es war wirklich der ausschlaggebende Moment, den ich oben beschrieben habe, der mit den Kindern.

    Tja, es war ein langer Weg, aber es hat sich gelohnt. Und wie!<3

  • Hallo Wachholderfrau,

    ich habe mich bei dem Vogel vertan, der Vogel hieß tatsächlich Wachtelkönig. Und das Buch heißt Nachtlichter, von Amy Liptrot. Der Titel bezieht sich wahrscheinlich auf die Polarlichter, die man wunderschön dort sehen kann.

    Und es sind wirklich die Oaklandinseln, auf denen man diese Polarlichter sehen kann, da habe ich mich jetzt wirklich nicht vertan


    Grüße Ingrid

  • Hallo Ingrid,

    Ah, das Buch meinst du! Ja, das fand ich auch richtig gut, ist ja ein biographischer Roman einer Alkoholikerin. Werde ich demnächst auch mal wieder lesen. Ich dachte eigentlich, du meinst das Buch von Gallay, "Die Brandungswelle".

    Wann hast du das Gespräch mit deiner Tochter?

    @all

    Ich merke, dass mich das Lesen der Beiträge, ob neu oder älter, ob Vorstellungen oder Antworten dazu, fast ein bisschen überfordert.

    Vieles ist so traurig und ergreifend! Möchte gern etwas dazu schreiben, dann sitze ich da und mir kommen die Tränen.

    Was mich tatsächlich am meisten mitnimmt, das sind die Angehörigen, vor allem die Kinder, egal wie alt sie sind. Diese Hilflosigkeit! Nichts tun zu können, nicht helfen zu können. Und wie schwer es ist, die Grenze zu ziehen. Dann die Kraft aufzubringen, um sich selbst zu schützen. Der Alkoholiker ist gefangen in seiner Sucht. Die Angehörigen sind gefangen in dem Glauben, sie müssten und könnten doch etwas tun, um das Elend zu beenden, vielleicht auch durch die Liebe. Das können sie aber nicht! Absolut nicht!

    Erst wenn ich als Alkoholikerin selbst bereit dazu bin, die Hand zu nehmen, die mir gereicht wird, kann sich etwas ändern. Aber das kann niemals die Hand einer Tochter oder eines Sohnes sein, und auch nicht die eines Partners, davon bin ich überzeugt.

    Ich musste für mich aufhören (wollen) zu trinken, nur so konnte ich mir eine Basis schaffen und meine Trockenheit allmählich darauf aufbauen.

    Ohne Hilfe hätte ich es nicht geschafft. Oft genug habe ich es probiert, weil ich der Meinung war, ich sei doch so stark. Mit Stärke aber hat abstinent werden nichts zu tun, im Gegenteil.

    Genug für heute.

    Gruß von W.

  • Nachtrag...

    In den vielen Jahren habe ich viele trockene Alkoholiker*innen kennengelernt.

    Ich kann mich an niemand erinnern, wirklich an niemanden, der oder die durch Liebe und Zuwendung oder durch gutgemeinte Worte trocken geworden ist.

    Wenn Angehörige etwas bewirkt haben, dann durch das vor die Füße knallen des Lieblingsbesäufnisgetränks mit der Bemerkung, hier, sauf dich zu Tode, ich schau nicht mehr länger zu...

    ...oder wenn die Partner die klare! überzeugende! Ansage gemacht haben, entweder der Alkohol oder ich, entweder du tust jetzt etwas dagegen oder ich bin weg. Und mit tust etwas dagegen, waren keine Versprechungen gemeint.

    Oder die Alkoholiker haben sich an den Punkt gesoffen, wo nichts mehr ging.

  • Hallo Wacholderfrau,


    wirklich schön, dass Du wieder hier bist! Deinen Rückblick mag ich - er ist so schonungslos direkt und ehrlich. Du liest Dich gut, zufrieden mit Deinem Leben - das freut mich sehr!
    Freue mich, wieder regelmäßig von Dir zu lesen 🙂

    LG Sue

    You will bloom if you take the time to water yourself 🌷

  • Liebe Sue,

    danke dir, und es ist schön, von dir zu lesen. Ich bin gespannt, wie es dir die letzten Jahre ergangen ist - und "wie du dich selbst zum Blühen bringst".

    Für mich wäre ein trockenes, erfülltes Leben ohne Ehrlichkeit nicht möglich. Klar war die Ehrlichkeit zu Beginn der Trockenheit schmerzhaft und unbequem, aber irgendwann hat sie mein Leben erleichtert. Was bringt es mir, Dinge unter den Teppich zu kehren, über den ich dann irgendwann doch stolpere und hinfalle. Die Gefahr bei mir als Alkoholikerin besteht ja darin, dass ich nicht mehr aufstehen kann. Und das ist etwas, wovor ich Höllenrespekt hab. Dass ich nicht mehr den Absprung bekommen könnte, also rückfällig werden und nicht mehr aufhören könnte.

    Und so komme ich (fast) automatisch zu dem, was so schön ist in meinem Leben., weil ich mich um mich kümmere und um meine Bedürfnisse, weil ich weiß, was ich brauche - und was mindestens genauso wichtig ist - was ich NICHT brauche.

    Ich habe mir immer Zuwendung gewünscht in meinem Leben, Liebe und Nähe, Aufmerksamkeit und Achtung. Diese Dinge habe ich vergeblich bei anderen Menschen gesucht. Inzwischen bin ich mir dessen bewusst, dass nur ich selbst mir das geben kann - was ich mit dieser unbändigen Sehnsucht gesucht habe - und niemand anderes.

    Mit Unterstützung konnte ich mir eine Basis schaffen. Ich wollte und will nicht mehr trinken und so habe ich mir mein Leben aufgebaut, was nicht immer einfach war - aber immer einfacher wurde. Es gibt Dinge im Leben, die schwierig sind, ob man Alkoholiker ist oder nicht. Es geht halt darum, auch mal Situationen auszuhalten, zu ertragen. Das ist etwas, was mir nicht möglich war, alles musste weggesoffen werden, und wenn es der schlimme Weltschmerz war.

    Ich kann sagen, es geht mir so gut wie noch nie in meinem Leben. Und das schon ne Weile. Wie schön es ist, sagen zu können, ich habe meinen Frieden gefunden. Es gibt so viel schöne Dinge in meinem Leben, anders kann ich es gar nicht sagen. Dinge, die kaum oder kein Geld kosten, einfach weil ich sie sehen und leben kann. Ja, es gibt auch Dinge, die Geld kosten, aber die halten sich in Grenzen. Einige schöne Reisen habe ich in den letzten Jahren gemacht, ich tauche gern mal ab...ab in die Natur. Demnächst werde ich mal wieder 4 Wochen von der Bildfläche verschwinden und ganz mit mir allein sein. Hauptsache Natur und Ruhe und Nichts.

    Ich kann mich gut beschäftigen, bewege mich sehr gern, und ich bin unternehmungslustig, aber ich bin auch oft sehr zurückgezogen, wichtig ist mir die Balance zwischen meinen Aktivitäten und Kontakten und dem, was ich Ruhe nenne.

    Bevor ich jetzt noch mehr ins Schwärmen komme, sage ich mal Gute Nacht

    Wacholder

  • Ich habe mir immer Zuwendung gewünscht in meinem Leben, Liebe und Nähe, Aufmerksamkeit und Achtung. Diese Dinge habe ich vergeblich bei anderen Menschen gesucht. Inzwischen bin ich mir dessen bewusst, dass nur ich selbst mir das geben kann - was ich mit dieser unbändigen Sehnsucht gesucht habe - und niemand anderes.

    Sehr sehr schön. Ich kommentiere das nicht weiter .

    Ich hebe das einfach nochmal raus.

    lG WW

    m. , Bj. 67 :wink: , abstinent seit 2005

    Wir gehen unseren Weg, weil wir nur den Einen haben. Hätten wir mehrere zur Auswahl, wären wir total zerrissen und unglücklich. Einzig die Gestaltung unterliegt uns in gewissen natürlichen Grenzen.

  • Ich habe mir immer Zuwendung gewünscht in meinem Leben, Liebe und Nähe, Aufmerksamkeit und Achtung. Diese Dinge habe ich vergeblich bei anderen Menschen gesucht. Inzwischen bin ich mir dessen bewusst, dass nur ich selbst mir das geben kann - was ich mit dieser unbändigen Sehnsucht gesucht habe - und niemand anderes.

    Weise Worte, die versteht man im Nachhinein. Danke.

  • Bei mir hat sich viel getan in den letzten Jahren 🙂 Weiß gar nicht mehr genau, wann Du „gegangen“ bist damals 🤔 Neuer Beruf, mehrere Umzüge, neue Partnerschaft - eigentlich hat sich alles bei mir geändert 😅 Hab mein Tagebuch im Geschlossenen.


    Ich wünsch Dir einen schönen Sonntag!

    LG Sue

    You will bloom if you take the time to water yourself 🌷

  • Hallo Wacholderfrau :)

    In Deinem Rückblick habe ich mich auch in sooooo vielen Dingen wieder gefunden.
    Dieses Streben nach Anerkennung, Liebe, Gesehenwerden, weil man so ein tiefes Defizit in sich spürt.
    Ich habe in meiner Vergangenheit immer mein Glück und meine innere Zufriedenheit von anderen / anderem abhängig gemacht. Das klappt natürlich nicht.
    Das wäre mir letztes Jahr fast zum Verhängnis geworden, nachdem ich auch schon so lange trocken und glücklich war ... dachte ich.
    Tief in mir drin war noch nicht alles so glücklich, das ist mir dann bewusst geworden.
    Und auch, wie schnell man dann wieder Gefahr läuft zum Alkohol greifen zu wollen.
    Ich bin mega dankbar, das ich den Denkzettel bekommen habe und mir wieder mal bewusst gemacht habe, dass ein Rückfall nie auszuschließen ist, wenn man nicht aufmerksam bleibt und was für seine zufriedene Abstinenz tut.
    Ich finde Deinen Faden toll.

  • Hallo und vielen Dank an alle, die hier lesen.

    Bei mir hat sich viel getan in den letzten Jahren 🙂 Weiß gar nicht mehr genau, wann Du „gegangen“ bist damals 🤔 Neuer Beruf, mehrere Umzüge, neue Partnerschaft - eigentlich hat sich alles bei mir geändert 😅 Hab mein Tagebuch im Geschlossenen.

    Liebe Sue,

    Den Start in neuen Beruf habe ich noch mitbekommen. Bald kann und darf ich in deinem Tagebuch lesen, das dauert nicht mehr lange, ich freue mich schon auf den geschützten Bereich.

    Und eine neue Partnerschaft:love: wie schön!!! Soweit ich es aus deinen Beiträgen "herauslesen" kann, habe ich den Eindruck, es geht dir sehr gut mit deinen Veränderungen. Das freut mich sehr.

    Danke Whitewolf. Danke auspole

    Hallo Minihexe,

    Dieses Streben nach Anerkennung, Liebe, Gesehenwerden, weil man so ein tiefes Defizit in sich spürt.
    Ich habe in meiner Vergangenheit immer mein Glück und meine innere Zufriedenheit von anderen / anderem abhängig gemacht. Das klappt natürlich nicht.

    Du bringst das echt gut auf den Punkt. Die Begriffe "Defizit" und "abhängig" machen sehr deutlich, was in mir vorgegangen ist. Viele Jahre, die meiste Zeit meines Lebens habe ich mich über Leistung definiert. Ich habe mich regelrecht verausgabt und musste mich dann von diesem Level runtersaufen.

    Das Verrückte an der ganzen Sache ist leider, dass ich diese ersehnten Dinge nicht annehmen konnte, wenn ich sie bekommen hab, denn es ist ja nicht so, dass ich immerzu leer ausgegangen wäre. Finde das ziemlich tragisch, wenn ich an Beziehungen denke zum Beispiel.

    Es ist auch leicht, in die Opferrolle zu gehen bei diesem Defizit - und ein wunderbarer Grund zu saufen.

    Und es ist nicht leicht, zu erkennen, dass ich Verantwortung übernehmen kann für dieses Defizit - und das geht mit saufen überhaupt nicht (Verantwortung zu übernehmen, meine ich)

    Dann kommt noch das Phänomen dazu, dass, wenn ich mich selbst nicht leiden kann und mich Sch... finde, mich ablehne usw. , können sich andere eh abstrampeln wie sie wollen, da erreicht mich gar nichts. So war das.

    So war das, und jetzt ist es anders. Und geholfen haben mir die vielen kleinen Schritte auf dem Weg von der nassen Alkoholikerin zur trockenen Alkoholikerin. Ich spreche nicht von einer stabilen Alkoholikern, denn stabil käme dem gleich, dass ich sagen würde: Alkohol ist kein Thema für mich. Sag ich das nun mal so: im positiven Sinn ist Alkohol ein Thema für mich geworden. Weil ich eben fürsorglich mit mir umgehe und mich ernst nehme, weil ich aufpasse, dass ich nicht in die Fallen tappe, die die durchtriebene Sucht mir stellen kann ........... und sehr oft gestellt hat, was mir auch lange Zeit willkommen war, weil ich ja trinken wollte. (Wie verkorkst das alles ist, oder:S)

    Liebe Grüße, Wacholderfrau

  • Hallo,

    hatte heute einen gemütlichen Putztag mit ganz vielen Pausen, in denen ich das Buch "Windstärke 17" von Caroline Wahl zu Ende gelesen habe. "22 Bahnen" ist das erste Buch der Autorin. In beiden Büchern geht es um die beiden Töchter einer Alkoholikerin, im ersten um die ältere, im zweiten um die jüngere. Erstaunlich nah und treffend erzählt und geht teilweise echt unter die Haut.

    Dann Handball angeschaut und mich gefreut, dass alles so schön sauber ist (und natürlich auch, dass die deutsche Mannschaft im Finale ist)

    Und so kann ich morgen wieder in der Gegend herumstromern und mir Kunst anschauen, am Mittwoch war ich auch schon in einem meinem Lieblingsmuseum in Sachen Kunst unterwegs. War wunderschön, besonders deswegen, weil mich eine liebe Freundin begleitet hat.

    Ich bin sehr unternehmungslustig zurzeit und voller Energie, manchmal so, dass ich körperlich nicht so ganz mitkomme mit diesem Schwung :S, aber das Schöne am Leben ist ja, dass man immer etwas dazu lernen darf. Zum Beispiel, meine Grenzen zu spüren und desweiteren, sie zu respektieren. In meinem Alter geht halt auch nicht mehr alles so, wie ich manchmal glaube zu können oder wie ich will... Aber es ist gut so, darauf zu achten. Es sind ja auch nicht mehr die Gäule, die mit mir durchgehen, manchmal nur noch ein Ponylein (oder zwei). Habe in letzter Zeit den Satz verinnerlicht: Ich mache nicht das, was ich will, sondern das, was ich kann. Der nächste Schritt könnte dann heißen, ich mache nicht das, was ich kann, sonders das, was ich brauche. Vielleicht, eventuell, irgendwann. Im Moment reicht mir das so, will ja auch ich bleiben:P

    In meiner Stadt und Umgebung gibt es mehrere Selbsthilfegruppen, eine besuche ich regelmäßig, die anderen sporatisch. Und nun bin ich auch wieder hier. Man könnte meinen, mein Alltag dreht sich nur um meine Trockenheit und dem Weg der Genesung. Das tut es sicher nicht, aber sie hat einen angemessenen Platz in meinem Leben. Und das ist gut so. Nur wenn ich trocken bleibe, kann ich das schöne, lebendige und auch lustige Leben führen, das ich so mag.

    Was ich hier von den Lebensgeschichten mitbekomme und von den Menschen in den Gruppen, erschreckt mich immer wieder aufs Neue, nämlich das, was die Sucht mit einem anstellen kann.

    Liebe Grüße von Wacholderfrau

  • Zum Beispiel, meine Grenzen zu spüren und desweiteren, sie zu respektieren. In meinem Alter geht halt auch nicht mehr alles so, wie ich manchmal glaube zu können oder wie ich will... Aber es ist gut so, darauf zu achten. Es sind ja auch nicht mehr die Gäule, die mit mir durchgehen, manchmal nur noch ein Ponylein (oder zwei).

    Das hast Du sehr schön und treffend beschrieben, Wacholderfrau!

    Das Wichtigste ist, dass wir trocken sind und unser Leben so gut wie möglich nüchtern genießen können. Mit allen Begleiterscheinungen und Zipperlein, die das Leben mit sich bringt.

    Es geht halt alles nicht mehr im Galopp, aber dafür gemächlich im Schritt.

    Älter werden ist ein Geschenk, das einige nicht erleben konnten, aus verschiedenen Gründen.

    Dir viel Spaß beim Anschauen der Kunst morgen. Ich bin gespannt, wie Du die Kunst interpretierst. Das ist ja immer so eine Sache! ;)

    LG Elly

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    Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    - Trocken seit 06.01.2013 -

  • Hallo,

    danke an alle, die hier lesen, danke für die Likes und danke für deine Rückmeldung, liebe Elly

    Älter werden ist ein Geschenk, das einige nicht erleben konnten, aus verschiedenen Gründen.

    Mir geht es jedenfalls so, dass ich mich über mein Älterwerden freue, und dankbar bin ich dafür, dass ich es überhaupt erleben darf.

    Ich hatte gestern einen sehr schönen Tag, nicht nur weil ich in einer ganz besonderen Ausstellung in in einer bezaubernden kleinen Stadt war, sondern auch weil eine liebe Freundin mit mir unterwegs war, und wir uns nicht im geringsten haben beeindrucken lassen vom gestrigen katastrophalen Zugverkehr, den ich noch nie so wie gestern erlebt hab. Wir hatten den ganzen Tag gute Laune und uns viel zu erzählen, haben das Bahn-Chaos mit einer Gelassenheit hingenommen, die heute noch nachwirkt :), muss echt lachen, wenn ich daran denke, dass wir in drei Bundesländern herumgegurkt sind und 12 Stunden unterwegs waren. :)

    Interpretieren tu ich nicht, Elly, mein Verständnis von Kunst ist, ob sie mich berührt oder nicht, irgendwie erreicht, ob sie mich zum Nachdenken bringt, mich erfreut und ob sie nachwirkt.

    Nachwirken tun auch die Beiträge hier, auch wenn ich mich nicht bewusst mit ihnen beschäftige, nehme ich das wahr.

    Und ich frage mich heute, warum schaffen es manche, und warum schaffen es manche nicht, vom Alkohol wegzukommen?

    Ich habe bereits ein bisschen von mir erzählt, und ich weiß, dass ich erst dann die Kurve bekommen habe, als mir bewusst, richtig heftig bewusst wurde, welchen Stellenwert der Alkohol bei mir hatte. Und als ich in der Lage war, Hilfe anzunehmen. Dass ich Hilfe brauchte, war mir lange vorher klar. Aber ich konnte meine Not nicht äußern. Ich musste an diesen einen bestimmten Punkt kommen.

    Ja, ich weiß, diese Frage ist hyothetisch, und es gibt nicht wirklich eine Antwort darauf.

    Sonntagsgrüße von Wacholderfrau

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