Offener Umgang Alkoholkrankheit

  • Hallo zusammen,


    Da Alkoholismus mit Willensschwäche, sich nicht zusammenreißen in Verbindung gebracht wird, ist es natürlich auch sehr schwierig, wie ich nach dem Stoppen meiner Sucht umgehe.

    Die einen verheimlichen es, machen es mit sich selbst aus, wie sie es in den nassen Zeiten auch gemacht hatten.

    Ich halte es jedoch für enorm wichtig offen damit umzugehen. Natürlich nicht mit einem Schild um den Hals oder schreie es jedem entgegen.

    Aber alles was mit dem medizinischen Sektor, Bekannte, nahe Verwandte oder auch Menschen mit täglichem Umgang sollten es schon wissen.

    Nicht das es ihnen etwas angeht, hat mehr was mit Selbstschutz zu tun. Wenn ich ein Restaurant besuche, bringe ich auch in Erfahrung, ob mit Alkohol gekocht wird. Oder nicht?

    Hat den Vorteil ich muss mir nicht immer eine Ausrede einfallen lassen, wenn ich Alkohol angeboten bekomme. Die es wissen, bieten nichts an.

    Fremden oder Kurzzeit Begegnungen lasse ich außen vor. Da reicht, wenn Alkohol angeboten. Ich trinke keinen Alkohol. Das ohne Erklärung. Ich erkläre mich ja auch nicht warum ich keine Artischocken esse.

    Nun mache ich mir auch nichts vor das es viele schon wissen, wenn ich von heute auf morgen keinen Alkohol mehr trinke.

    Wie geht Ihr damit um?

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Zunächst Mal glaube ich, dass der offene Umgang auch ganz individuell davon abhängt, welche Erfahrungen jemand mit Stigmatisierung und Diskriminierung gemacht hat. Dazu gibt es übrigens interessante Suchergebnisse mit "Stigmatisierung Alkoholismus". Wer Interesse hat.

    Ich selbst habe nur zwei Menschen ins Boot geholt die mir besonders nahe stehen. Alle anderen geht es nichts an. Soweit mir Alkohol angeboten wird, lehne ich, wenn aufgrund des Penetranzgrades meines Gegenübers nicht anders möglich, mit Hinweis auf meine chronische Erkrankung ab. Das wird dann immer akzeptiert und nicht weiter hinterfragt.

    Ich mache mir ansonsten darüber auch keine Gedanken. Ich fühle mich gut, und habe für mich einen guten Weg eingeschlagen.

  • Meine Freunde und Familie wissen Alle Bescheid und es hilft mir enorm. Am Anfang war es ein Schutz für mich, weil ich nicht einfach hätte wieder trinken können, ohne dass alles mitbekommen hätten, dass ich einen Rückfall erleide. Inzwischen ist es hilfreich für mich, weil ich einfach immer reden kann über meine Gefühle in Bezug auf das Trinken oder die Vergangenheit usw.

    Ich habe bisher fast ausschließlich positive Reaktionen erlebt. Ich dramatisiere es aber auch überhaupt nicht. Am Anfang hatte ich immer das Gefühl, ich beichte gerade etwas. Heute habe ich nur noch das Gefühl, ich berichte etwas. Es ist für mich völlig unspektakulär. Genau so bringe ich es auch rüber, falls ich mit Jemanden auf das Thema komme.

    Es verändert sich die Art und Weise des Darüber-Redens. Anfangs hatte ich das Gefühl, ich müsste erklären, weshalb ich nichts trinke. Das habe ich heute nicht mehr. Beispiel gestern bei einem Treffen nach der Arbeit mit den Kolleginnen. Nicht nur die engeren Kolleginnen (die wissen davon), sondern eben auch aus anderen Bereichen. Jemand fragte mich, ob ich auch mit dem Taxi nach Hause fragte. Früher hätte ich erklärt, dass ich nichts (mehr) trinke und grob gesagt warum (schon genug Alkohol im Leben getrunken oder was auch immer). Heute antworte ich lediglich: "Nein, ich fahre selbst, ich trinke keinen Alkohol". Fertig.

    Das wird oft einfach so hingenommen, weil es für die Nicht-Abhängigen unter uns auch einfach nicht ungewöhnlich ist, nichts zu trinken. Wenn Jemand doch nachfragt, antworte ich je nach Person. Entweder sage ich, dass ich in meinem Leben mehr als genug getrunken habe, Alkohol nicht vertrage oder was auch immer. Oftmals, wenn ich die Person jedoch mag, dann sag ich einfach wie es ist. Es kommt immer auf die Situation an.

    Je länger ich trocken bin, umso weniger wird es jedoch überhaupt irgendwo Thema.

    Mir persönlich gefällt es jedenfalls, offen mit dem Thema umzugehen. Ich schäme mich nicht. Im Gegenteil. Ich bin stolz, dass ich es aus der Abhängigkeit geschafft habe.

    LG Cadda

  • Also bei mir wissen es meine Eltern, Kinder und Ehefrau.

    Onkel, Tanten, Cousins etc. wissen es nicht und es geht sie auch nichts an.

    Ich mag es einfach nicht, wenn ich als Alkoholiker angesehen werde und Leute wegen mir auf Alkohol verzichten.

    Ich weiß, dass ich Alkoholiker oder auch alkoholkrank bin. Jedoch spreche ich diese Wörter nicht aus.

    Ich bin Abstinenzler und trinke keinen Alkohol. Punkt.

    Im Restaurant bestelle ich Gerichte, wo ich weiß, dass kein Alkohol enthalten ist. Extra nachfragen würde ich jedoch nicht.

    Im Grunde geht Jeder damit anders um und ich respektiere Jeden, der offen mit seiner Sucht umgeht. Für mich kommt das aber nicht in Frage.

    Auch erlaube ich mir seit ein paar Monaten, eine Versammlung sofort zu verlassen, wenn es mir nicht gut tut. So geschehen im Juli diesen Jahres,

    als meine Eltern eine Grillparty machten und die halbe Verwandschaft einluden. Es wurde viel Bier getrunken und es kam zum Streit über ein bestimmtes Thema. Da ich mir dieses besoffene Gestreite jedoch nicht mehr antue, bin ich sofort aufgestanden, habe mich verabschiedet und weg war ich.

    Zum einen als Eigenschutz, zum anderen, weil ich inzwischen zuerst auf mich selbst schaue und nicht, wie früher auf andere. In meinen vielen Trinkpausen wäre ich wohl sitzen geblieben, weil ich mir dachte, was sollen die Anderen denken, wenn ich nach 20 Minuten schon gehe?

    LG Alex

  • in meiner nassen Zeit dachte ich, dass es komisch aussieht wenn man nichts trinkt....ich habe gemerkt, dass das nicht stimmt...im Restaurant, wird viel mehr Wasser oder anderes getrunken....und es kommt mir inzwischen auch normal vor, zB eine Cola zu trinken dh wenn man nicht mehr dazugehört, ist das völlig normal geworden

    wenn mich jemand fragt, ob ich zB ein Bier trinken will, sag ich ganz einfach nein...will er dann wissen warum, sage ich...ist halt die Sucht...was soll man machen...das oder so ähnlich sage ich dann völlig unbetroffen und offen...und mir ist auch egal, was der Andere darüber denkt

    meine Famielie, meine Freunde und die meißten Arbeitskollegen wissen bescheid oder ahnen es...wenn sie es dann genau wissen wollen, sag ich es ihnen, wenn sie mich fragen

    ich bin Alkoholiker, sag ich selten...das ist so altbacken und hört sich wie eine Rechtfertigung an...

    am Anhfang für die Selbsterkenntnis bzw Erklärung beim Arzt ist das Wort Alkoholiker OK...also hier im Forum bin ich Alkoholkrank

    lieben Gruß

    mexico

  • Hallo zusammen,

    habe mich bei allen geoutet, die in meinem engeren Umfeld kreisen, leider auch einigen, die versucht haben die Situation auszunutzen.

    Meine Partnerschaft habe ich beendet...auch wenn es schwer fiel.

    Dazu selbstverständlich meinem Arzt anvertraut. Zahnarzt wird noch folgen.

    Aus drei Sportvereinen bin ich ausgetreten. In Restaurants bestelle ich nur Gerichte (Steak) die nicht mit Alkohol zubereitet werden.

    Bei Salatsoßen frage ich mit welchem Essig zubereitet wurde. Bei Getränken bestelle ich nur Wasser oder Apfelschorle.

    Achte auf den mäßigen Einsatz von Cremes,Lotionen, sowie ausschließlich Alkoholfreies Rasierwasser.

    Auch überreifes Obst ( Bananen) esse ich nicht mehr, da ich ein Jahr Abstinenz, mit 6 Urinkontrollen nachweisen muss. Hier wird sehr genau der EtG-und Creatinin Wert ermittelt.

    Einem Nachbarn habe ich mich anvertraut, der mit großer Sicherheit alle anderen informiert hat, sofern diese sich durch diverse Notarzt-Einsätze nicht sowieso ihren Teil gedacht haben.

    Kann mir mittlerweile nur Recht sein bzw. ist mir Egal.

    Schließe mich den Aussagen von Cadda an...bin Stolz die Sucht nach Rückfall, wieder im Griff zu haben, schäme mich nicht mehr.

    Mögen alle Anderen das Leben besser meistern. Ich gönne es ihnen.

    Beste Grüße

    Topema

  • Seit 11 Jahren bin ich trocken. Ich habe damals der Familie, Ärzten, Freunden und auch Arbeitskollegen gesagt, dass ich trockene Alkoholikerin bin. Aus Selbstschutz und als "outing" , damit ich nicht ständig um den heißen Brei rumreden bzw. immer überlegen muss, was und wie ich es ausdrücken, dass ich trockene Alkoholikerin bin. Wenn ich in einem neuen Team bin und wir uns auch privat besuchen, sage ich auch, dass ich trockene Alkoholikerin bin. Vielen Bekannten sage ich es auch, wenn sie zum x.ten mal Wein zu mir nach Hause anschleppen. Ich sage es auch für mich, um mich abzugrenzen. Das ist aber außer bei Ärzten meist den privaten Treffen geschuldet, in denen es für viele normal ist Alkohol zu trinken. Vielleicht geht es mir beruflich besser als anderen, weil ich nicht in der freien Wirtschaftschaft sondern im sozialen Bereich arbeite. Weil es für viele noch stigmatisierend ist, die Alkoholkrankheit offen anzusprechen und weil das Trinken früher sowieso von Heimlichkeit begleitet war, finde ich es wichtig mir und auch anderen gegenüber offen zu sagen, ich bin trockene Alkoholikerin. Ich denke, so schaffe ich ein offeneres Klima, ich will mich ja nicht mehr verstecken oder meine Priorität "meine Trockenheit" verheimlichen. Ich bin auch stolz auf mich und mein Leben ohne Alkohol. Indem ich meine Alkoholkrankheit in diesen "Trinksituationen" anspreche, sorge ich dafür, dass es auch so bleibt.

  • Wie einige Wissen, habe ich kein Alkoholproblem, allerdings eine chronische Krankheit.

    Zuerst habe ich es meiner Familie erzählt, dann engen Freunden. Mittlerweile weiss es das ganze Dorf.

    Auch meine Kunden wissen es zum großen Teil.

    Ich gehe damit sehr offen um, das war mal anders. Da habe auch ich mich geschämt, zB wenn man auf der Strasse angesprochen wird: Oh wie geht es dir, ich habe das und das gehört.

    Bucklige Verwandtschaft weiss es auch.

    Die Sache ist aber DIESE und die EINZIGE: Komme ich damit klar? Ja, denn es ist Teil meines Lebens.

    Ich schäme mich nicht dafür, und das sollte ein trockener Alkoholiker auch nicht. Seht, was ihr im Leben noch alles sehen und schaffen könnt. Wie es bei euch im Familien- und Freundeskreis harmoniert. Das sind dann die weiteren Errungenschaften, die kann euch keiner nehmen.

    Soll es die Firma wissen? Die Kunden?

    Soll jeder für sich entscheiden. Ich gehe da den persönlichen und offenen Weg. Fragt mich einer danach, leugne ich es nicht. Also Lügengebilde will ich da nicht aufbauen. Dezent kann man im vertraulichen Gespräch hinweisen, das es nicht jeder Kollege erfahren sollte.

    Übrigens.... bin ein depressiver Schizophrener. Ab und an hatte ich auch mal eine Angst und Panikstörung.

    Krankheit 3in1 :mrgreen:

    Falls die Frage aufkommen sollte... :mrgreen:

    Hab ichs im Griff? Yes, und das schon seit vielen vielen Jahren.

    Wenn es mir schlecht geht, ist meine Familie für mich da. Meine Neffen und Nichten wissen das aber noch nicht. Dazu sind die noch zu jung, und hoffe auch, dass ich später noch der "Lieblingsonkel" sein werde.

    Aber gaaaanz am Anfang... Da konnte ich auch damit nicht richtig umgehen. Deswegen kam später die Depression dazu.

    Nun wieder zu euch. Das ist so ne Sache, die ich verstehe, ich möchte zum Ausdruck bringen, das es keine Schwäche ist, sondern auch ne Stärke sein kann. Freunde würde ich sowas auf jeden Fall anvertrauen, Familie natürlich auch. Die achten dann sicherlich auf das Gegenüber und was auch schön ist, fragen nach wenn mal etwas im Leben nicht so gut läuft.

    Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt. – Mahatma Gandhi

  • Hallo Alex, mir gefällt Dein Beitrag sehr. Weil er einfach zum Thema total passend ist. Denn Du bist in dem Moment, wo Du hier davon berichtest, ja auch offen mit Deiner Krankheit umgegangen und das finde ich klasse. Danke für das Vertrauen, kann ich an der Stelle nur sagen.

    Ich finde es auch absolut vergleichbar, denn es geht darum, dass Alkoholismus oder eine psychische Erkrankung Dinge sind, für die viele Menschen sich schämen. Es ist selten ein Problem für Menschen, wenn es um eine Krankheit wie z. B. Herzprobleme, Rheuma oder sonstiges geht. Sobald es aber um eine Sucht oder psychische Erkrankung geht, wird das von einigen halt noch als Schwäche gesehen. Meiner Meinung nach ist es aber gerade wichtig und hilfreich, aus dieser vermeintlichen Schwäche eine Stärke zu machen, indem man eben zu seiner Krankheit steht.

    Ich weiß, dass viele das einfach nicht möchten und das muss man ja auch akzeptieren, gerade wenn zu befürchten ist, dass jobtechnisch Nachteile entstehen. Das muss man akzeptieren. Jeder muss das für sich selbst entscheiden. ICH persönlich habe allerdings noch zu keinem einzigen Zeitpunkt bereut, offen mit meiner Krankheit umzugehen. Es kommt eben immer darauf an, WIE man darüber berichtet. Je unspektakulärer ich es rüberbringe, umso unspektakulärer wird es von meinem Gegenüber aufgenommen.

    LG Cadda

  • dass jobtechnisch Nachteile entstehen

    dann ist man einfach nicht in der richtigen Firma! Punkt Aus.

    Ja es ähnelt sich. Es ist nicht so wie ein eingegipstes Bein, was man sieht und was wieder verheilt. Auch gibt es beim Alkoholismus... also viele Vorurteile. Das betrifft alle Gesellschaftsschichten, und Alkoholismus ist eine anerkannte Erkrankung, die zum Tod führen kann. Leider viel zu oft!

    Ich bin manchmal richtig erstaunt auch von neuen Usern, das sich hier gegenseitig unterstützt wird. Noch bin ich ne Mod Aushilfe, ich arbeite mich aber auch in das Thema ein.

    Muss sagen das diese Hilfsbereitschaft hier sehr groß ist. Wir können aber nicht alles ersetzen. Wie zB auch das persönliche Umfeld, Familie, Freunde und Kollegen die Hilfsbereit sind.

    Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt. – Mahatma Gandhi

  • Offener Umgang mit der Alkoholkrankheit?

    Dazu habe ich mir natürlich auch Gedanken gemacht.

    Die nicht freiwillige „Entdeckung“ meiner Alkoholkrankheit war für mich ein Glücksfall.

    Dass Bedürfnis, mich bei meiner Familie und mir besonders nahe stehenden Menschen dazu zu bekennen, dass ich Alkoholiker bin, kam dann auch direkt in der meiner ersten nüchternen Nacht.

    Bei diesen paar ausgesuchten Leuten habe ich es bisher auch belassen.

    Meinen Arzt natürlich ausgenommen, der weiß Bescheid und mein Zahnarzt auch. Ob das für den Gynäkologen oder den Augenarzt interessant ist, weiß ich nicht.

    Ich denke einfach, dass andere Menschen das nicht wissen müssen, wozu auch.

    Mir ist wichtig, dass ich das weiß … und meine Lieben.

    Für den Rest trinke ich einfach keinen Alkohol, so wie die mich in den vergangenen Jahren auch erlebt haben: Nie Alkohol trinkend (ich habe ja ausschließlich alleine zu Hause getrunken) und wenn ich neu irgendwo bin, trinke ich eben keinen Alkohol.

    Mich hat während meiner heimlichen Saufzeit kaum einer darauf angesprochen, warum ich keinen Alkohol möchte, nicht mal Silvester zum Anstoßen. Wenn doch mal, war meine Antwort stets, dass ich keinen Alkohol trinke. Das war immer in Ordnung und weiter nachgefragt hat keiner. So wichtig ist das den Leuten dann wohl doch nicht.

    Warum sollte ich jetzt dahergehen, und (wie immer mit meinem Wasserglas in der Hand) der Bekanntschaft erzählen: Ich bin Alkoholiker.

    Als Schutz für mich brauche ich das nicht.

    Schutz ist mir unter anderem, dass ich meine Krankheit erkannt habe und das Wissen um die Krankheit, dass sie nie geheilt werden kann, lediglich gestoppt. Und nur ich kann sie stoppen…egal, wer davon weiß.

    Meinen Arbeitskollegen geht das, so glaube ich, am allerwenigsten was an.

    Wir pflegen keine privaten Kontakte außerhalb des Büros und für die Arbeit ist es völlig uninteressant, welche Krankheiten ich habe.

    Wir haben sogar einen Suchtbeauftragen, der wohl auch der Schweigepflicht unterliegt.

    Im Moment brauche ich den aber nicht.

    Viele Grüße

    Stern

    ⭐️

    Wenn du heute aufgibst, wirst du nie wissen, ob du es morgen geschafft hättest.

    Einmal editiert, zuletzt von Stern (24. August 2021 um 13:54)

  • Guten Morgen Stern,

    ich wollte neulich schon in Dein Tagebuch schreiben, aber nun bin ich in diesem Thema gelandet. Möchte trotzdem vorab einmal sagen, dass ich gern bei Dir lese. Ich finde, Du nimmst Dinge sehr gut an. Du befindest nicht alles für gut und richtig, aber Du machst Dir Gedanken und lässt Dinge sacken. Das finde ich gut :)

    So und nun zu diesem Thema:

    Es stimmt zwar, dass es die Kollegen am allerwenigsten etwas angeht. Aber ist es nicht so, dass es im Grunde NIEMANDEN etwas angeht, wenn es danach geht?

    Wenn ich meine Kollegen bei Gelegenheit darüber informiere (nie einen Staatsakt draus machen, einfach nur locker berichten, denn je unkomplizierter ich das sage, umso unkomplizierter kommt es an), dann mache ich das doch nicht, weil ich denke, dass meine Kolleginnen ein Recht darauf haben, das zu erfahren und weil es sie etwas angeht! Das mache ich doch nicht für SIE, sondern für MICH! Weil ich mich damit schütze! Ich komme dadurch nicht immer wieder in die Situation, dass ich erzählen muss, warum ich z. B. auf einer Betriebsfeier keinen Alkohol trinke.

    Außerdem mache ich das für MICH, weil ich hinterher stolz auf mich bin, dass ich mich eben NICHT klein und hässlich fühle vor lauter Scham, weil ich alkoholkrank bin. Ich wachse dann doch in meinem Entschluss. Ich stehe dann zu meinem Entschluss und das gibt mir doch dann Selbstbewusstsein.

    Wie gesagt: Klar geht es niemanden was an. Darum geht es aber auch überhaupt nicht. Es geht um MICH und darum, dass ich mich selbst festige.

    LG Cadda

  • Hallo Cadda,

    vielen Dank für deinen Beitrag.

    Ich antworte erstmal hier nur zum eigentlichen Thema.

    Aber ist es nicht so, dass es im Grunde NIEMANDEN etwas angeht, wenn es danach geht?

    Das ist meine Meinung.

    Mir war es wichtig, heute auch noch, dass ich die paar Leute, denen ich von meiner Alkoholkrankheit erzählt habe, nicht länger anlügen will.

    Sie sind mir so wichtig, und ich ihnen auch.

    Scham und Ekel und dieses miese Gefühl über meine heimliche Sauferei habe ich vor allem mir selbst gegenüber empfunden.

    Meinen Lieben gegenüber hatte ich wohl auch oft ein schlechtes Gewissen, habe mich aber nicht wirklich damit auseinandergesetzt. Das habe ich erst in der Nacht, nachdem mein bester Freund mich so gefunden hat wie ich niemals hätte gefunden werden wollte.

    Am nächsten Tag habe ich meinen engsten Angehörigen von dem ‚Vorfall’ und alles Vorangegangene erzählt.

    Erstmal nicht unbedingt, um mich besser zu fühlen. Denn zu dem Zeitpunkt gab es gar nichts, was geeignet wäre, mich besser zu fühlen. Vielmehr, weil sie es nicht verdient haben, länger angelogen zu werden.

    Ich wollte ab dieser Nacht mein Leben ändern. Und das wollte ich mitteilen.

    Meine Arbeitskollegen werde ich nicht informieren.

    Nicht nur, weil die das am allerwenigsten was angeht, sondern auch, weil ich darin überhaupt keinen Grund sehe.

    Wir machen keine Betriebsfeiern, bei ‚Geburtstagsrunden’ oder ähnlichen Anlässen im Büro gibt es keinen Alkohol und wenn wir einmal im Jahr auf dem Weihnachtsmarkt sind, werde ich wie immer meinen Kinderpunsch trinken. Daran haben sich alle gewöhnt. Außerdem muss ich noch mit Auto nach Hause.

    Warum sollte ich da mit meinem Kinderpunsch in der Hand sagen: ach übrigens, ich habe am 31. Mai erkannt, dass ich Alkoholiker bin.

    Was soll mich danach schützen?

    Warum sollte ich mich in Gerede katapultieren, wenn ich künftig mal wegen irgendwas krank bin. Da kommt doch unweigerlich der Gedanke, würde natürlich niemand laut aussprechen: „Da hat die doch bestimmt wieder gesoffen“…..

    Damit schütze ich mich nicht und damit geht es mir auch nicht gut.


    Außerdem mache ich das für MICH, weil ich hinterher stolz auf mich bin, dass ich mich eben NICHT klein und hässlich fühle vor lauter Scham, weil ich alkoholkrank bin.

    Was ich für mich machen wollte, habe ich getan.

    Ich fühle mich nicht mehr klein und häßlich vor lauter Scham, weil ich alkoholkrank bin.

    Und ich stolz, dass ich das (vor mir selbst und vor ausgesuchten Leuten) laut aussprechen konnte.

    Ich wachse dann doch in meinem Entschluss. Ich stehe dann zu meinem Entschluss und das gibt mir doch dann Selbstbewusstsein.

    Ich wachse jeden Tag an meinem Entschluss. Ich stehe auch jeden Tag zu meinem Entschluss. Und jeder nüchterne Tag gibt mir mehr Selbstbewusstsein.

    Ich kann jedoch sehr gut verstehen, das jemand, der immer und/oder bei jeder sich bietenden Gelegenheit getrunken hat, nun alle in sein neues trockenes Leben einbeziehen will. Da kann das tatsächlich zum Selbstschutz sein.

    Hoffentlich habe ich jetzt hier nicht Rahmen gesprengt, wurde doch länger als erst gedacht…..

    Viele Grüße

    Stern

    ⭐️

    Wenn du heute aufgibst, wirst du nie wissen, ob du es morgen geschafft hättest.

  • Ich gehe auch ganz offen damit um . seit ich nüchtern durch die welt laufe und Alkohol nun ja auch eine anerkannte Krankheit ist , was ich bis dato nicht wusste, war es für mich noch einfacher damit offen umzugehen , alle anderen Krankheiten werden auch akzeptiert und toleriert und nicht verachtend mit Stempel auf der stirn wie mit einem Hammer in Stein gemeißelt umgegangen. Wenn man mich fragt warum ich keinem Alkohol trinke, rede ich mich auch nicht raus. Mit ich muss fahren oder oder oder....

    Ich erzähle die Wahrheit . weil ich während meiner schlimmen Zeit so viel gelogen habe das ich direkt ein schlechtes gewissen bekomme wenn ich nur daran denke ich muss mir jetzt irgendwas einfallen lassen 🙄 das triggert mich.

    Also habe ich für mich entschlossen bei der Wahrheit zu bleiben wenn mich jemand fragt und offen und ehrlich die Frage warum ich nicht trinke zu beantworten.

    🤗

  • Es gibt keine Standartlösung. Jeder muss seinen eigenen Weg finden wie er es mit der Einweihung Dritter hält.

    Ich habe nur den engsten Kreis in Kenntnis gesetzt. Das sind genau die Personen, die ich auch von anderen "intimen/ernsten" Krankheiten unterrichten würde. Und dazu gehören die so scheinbar lieben Arbeitskollegen nicht.

    Falls ich mal überhaupt gefragt werde, das letzte mal ist schon Ewigkeiten her, gibt's die absolut zutreffende Anwort: "Weil mir das Zeug nicht mehr bekommt, ich den Alk nicht mehr vertrage und es mir "ohne" einfach bedeutend besser geht." Das war's.

    Mit diesem Kurs, den ich mit meinem Therapeuten abgestimmt habe, bin ich über 6 Jahre unfallfrei und zufrieden unterwegs.

  • Hallo zusammen, ich krame als Neuer mal dieses Thema heraus.

    Ich bin ja erst am Anfang. Aktuell weiß es nur meine Frau und mein Bestie.

    Den Bestie habe ich bereits während der Entgiftung informiert. Als Vertrauensbeweis an ihn und als Rettungsschild für mich. Damit ich noch einen Grund mehr habe, keine Vorfälle zuzulassen, weil ich neben mir auch ihn nicht enttäuschen will. Und weil ich weiß dass ich ihn bei Druck zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen kann. Das hat er mir kürzlich nochmal bestätigt.

    Bei allen anderen Menschen halte ich es sehr knapp, ich trinke einfach keinen Alkohol mehr. Punkt.

    Auch war es bei mir wie bei Stern, ich habe bis auf die gesellschaftlich absolut tolerierten Sauffeste wie Grillen fast nur heimlich für mich alleine getrunken. In Gesellschaft sonst kaum, wahrscheinlich weil ich nach außen hin keinen Verdacht erregen wollte. Nach einem Abendessen mit Bekannten konnte ich es daher kaum aushalten endlich wieder unbeobachtet trinken zu können (praktisch auf dem Weg ins Haus noch vor dem Jacke ausziehen... :(

    Ich denke dass man im Laufe der nüchternen Zeit vermutlich entspannter und offener damit umgeht.

    LG



  • Anfangs war ich offener damit. Da spielte sicher auch eine Portion Stolz mit. Ich hätte damit auch Schiffbruch erleiden können, habe aber Glück gehabt.

    Heute sage ich es denen, die es verdient haben zu wissen - den anderen nicht.

  • Mir geht es da wie Petter. Am Anfang - voller Stolz - habe ich quasi jedem der nachfragte, meine Story aufs Auge gedrückt. Ich habe bei einem vermeintlich guten Bekannten, der mich seit vielen Jahren kennt, ganz böse Dinge über mich anhören müssen. Nachdem ich ihm ein paar Stories erzählte, wieso ich zu dem Schlussstrich kam.

    Das hat mich sehr verletzt. Und seitdem gehe ich mit meinen Informationen deutlich sparsamer und gewählter um.

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