Guten Morgen,
ich habe gerade einige Beiträge gelesen, die ich sehr interessant fand. Dabei ging es darum, dass die Wahrnehmung des Alkoholikers gestört ist, aber dass eben auch die Wahrnehmung des Co.Abhängigen gestört ist. Ist das tatsächlich so oder funktioniert die Wahrnehmung im Grunde genommen sehr gut, wird aber dennoch hingenommen?
Ich glaube, dass es viele Co-Abhängige gibt, die schon längst verstanden haben, was Sache ist und deren Wahrnehmung auch gar nicht (mehr) gestört ist. Sie schaffen es dennoch nicht, dem ganzen Drama ein Ende zu setzen, weil sie an der Hoffnung festhalten, der Süchtige hört auf zu Saufen und dann wird alles wieder gut. Und so lassen sie die ganzen Demütigungen, Beleidigungen und Ausreden des Säufers über sich ergehen.
Ich denke beim Lesen vieler Geschichten, wie es sein kann, dass der Co-Abhängige sich also quasi vornimmt, die Situation AUSZUHALTEN. Ich habe oft den Eindruck, dass dann die Geschichten hier erzählt werden, um eben die Situation besser ertragen und aushalten zu können. An einer Änderung wird aber gar nicht gearbeitet, weil ja immer noch die Hoffnung besteht, dass nach dem Aushalten und Ertragen der Situation die Belohnung kommt, indem der Säufer aufhört zu saufen. Dass das aber in den meisten Fällen eben nicht passiert, das wird ausgeblendet. Das ist dann wohl der Schutzmechanismus des Co-Abhängigen.
Oftmals wird ja auch in Etappen gedacht. Es wird zunächst auf die sogenannte Einsicht gehofft. Wenn die dann erstmal da ist, dann sieht der Co-Abhängige sich in einer Art Zwischenziel, also einen großen Schritt weiter.
Stimmt aber auch nicht wirklich. Einsicht bedeutet noch lange keine Handlung.
Vermehrt fällt mir auch auf, dass Co-Abhängige erst Recht Hoffnung bekommen, weil sie hier im Forum ja so viele Menschen treffen, die wirklich aufgehört haben zu trinken. Dass es allerdings daran liegt, dass das hier ein Alkoholikerforum ist und sich ja nun diese Leute gerade deshalb hier treffen und deshalb ein ganzer Schwung hier anzutreffen ist, das ist ja auch klar.
Wenn ich zu einer Gruppe gehe, indem sich Menschen treffen, die essenstechnisch Punkte zählen, um an Gewicht zu verlieren, dann treffe ich dort natürlich auch sehr, sehr viele Menschen, die abgenommen haben oder dabei sind.
Da "draussen" gibt es jedoch viel mehr Menschen, die Übergewicht haben und eben nicht schaffen, abzunehmen.
Genau so, wie es eben da "draussen" auch viel mehr Menschen gibt, die Saufen und eben nicht schaffen, aufzuhören.
Bei beiden Beispielen oftmals, obwohl die Einsicht vorhanden ist.
Ich weiß, dass es ein Prozess ist, sich zu lösen und wieder an sich zu denken. Das funktioniert nicht von heute auf morgen. Ich habe den Eindruck, hier melden sich viele Frauen an, die noch nicht soweit sind, sich aber auf einen guten Weg begeben, etwas sacken zu lassen, von dem was sie lesen und vor haben, etwas an der Situation zu verändern.
Bei einigen habe ich aber ganz stark den Eindruck, dass sie sich hier anmelden, um sich "nur" auszutauschen, also Dampf abzulassen, um eben die Situation weiter aushalten und ertragen zu können. Ein Wunsch, wirklich etwas an der Situation zu verändern, besteht aber irgendwie nicht.
Bringt es diese Co-Abhängigen denn aber tatsächlich weiter oder tappen sie dadurch weiter auf der Stelle. Was meint ihr?
LG Cadda